Wer mich kennt weiß, dass ich fast schon ein fanatischer Fan von Schiller bin. Damit meine ich nicht den großen Dichterfürsten, sondern den musikalischen Gott unserer Zeit. Ich sage absichtlich “Gott”, denn mir fällt niemand ein, der Christopher von Deylen (Schiller) musikalisch das Wasser reichen kann. Schiller – das ist ganz simple ausgedrückt elektronische Musik. Weiter ausgeführt steht Schiller für reine, emotionale, ausdrucksstarke, unglaublich facettenreiche elektronische Musik.
Nach dem guten, aber nicht überragenden Album “Sehnsucht”, war ich zunächst skeptisch wohin die Reise mit Schiller gehen würde. Ich habe die Entwicklung von Schillers Anfängen an begleitet. “Weltreise” überzeugte mich davon, dass Schiller genau meine Musik ist. Es war das erste Mal, dass mir beim Musikhören Tränen in den Augen standen. Überraschend. Berauschend.
Mit “Leben”, “Tag und Nacht” und “Sehnsucht” lieferte Christopher von Deylen alias Schiller immer wieder tolle Alben ab, jedoch vermisste ich immer mehr die Tiefe von “Weltreise”. Gewiss – jedes Album beinhaltete wundervolle musikalische Momente. Doch in ihrer Gesamtheit konnten sie mich nicht so gefangen nehmen wie Weltreise.
Seit heute gibt es das neue Album von Schiller “Atemlos”. Ich habe es bereits zweimal durchgehört und nur einen “Schwachpunkt” ausmachen können. Bei 30 Titeln! Doch ich will nicht vom “negativen” sprechen, sondern davon, dass “Atemlos” ein absolut grandioses Werk ist. Ein Höhepunkt zeitgenössischer Musik. (Das klingt jetzt a bisserl blöd, ist aber so. Mir fällt kein anderes Wort ein.) Sowieso fallen mir nicht genug Superlative ein, um Schillers “Atemlos” auch nur annähernd so hoch zu loben, wie es mir notwendig erscheint.
Neugierig gemacht vom Trailer, der wenige Wochen vor Erscheinungstermin auf Youtube veröffentlicht wurde, waren meine Erwartungen unendlich in die Höhe geschnellt. Und nun bin ich stolzer Besitzer der Einzelstücknr. 593 von 2500 der Ltd. Ultra Del. Edt. inkl. handsigniertem Leinwanddruck. Der Leinwanddruck mit der Nummer 593 und der Unterschrift von Christopher von Deylen hängt bereits an der Wand. Ich habe die Doppel-CD eingelegt und …. Tja, da war es wieder: dieses übermächtige Gefühl von tiefempfundener Freude über soviel grandiose Musik.
“Atemlos” startet mit “Tiefblau” einen Angriff auf mein Innerstes. Ich habe den Titel gehört und erbebte. Das ist mir zuletzt in diesem Ausmaß bei Weltreise passiert. Tiefblau entführt mich auf eine Reise ins Ich. Die Harmonien schlängeln sich durch mich, liebkosen mit ihren Klängen die Seele und strömen dann mit solcher Macht in jede Faser, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Das ist der musikalische Olymp. Definitiv. Dachte ich. Ich irrte.
Denn während Atemlos mit neuer gesanglicher Unterstützung von Mia Bergström, Anggun oder Nadia Ali das hohe Niveau mühelos fortführen und dabei durch ihre künstlerische Abwechslung zu überraschen wissen, drifte ich auf meinen Höhepunkt von Atemlos zu: Let it Rise mit Midge Ure. Midge Ure? Genau, der Ex-Ultravox-Sänger. Ich war bei der Ankündigung seiner Mitwirkung am Schiller-Album erstaunt. Ich konnte mir nicht richtig vorstellen, wie Midge Ure dem Schiller-Album “dienen” könne. Aber nun bin ich absolut hin und weg. “Let it Rise” mit Midge Ure erzeugt von Beginn an einen Spannungsbogen, der mein Innerstes bis zum Zerreissen spannt. Die Stimme von Midge Ure strotzt anfangs vor mühsam gezügelter Kraft und entfaltet im Laufe des Tracks emotionale Urgewalten. Diese körperlich spürbare Inbrunst ist phänomenal. Höre ich “Let it Rise” möchte ich am liebsten auf dem Gipfel eines Berges stehen, die Arme ausgebreitet und spüren wie die unbändige Kraft des Augenblicks durch mich fließt. Ich möchte im “Let it Rise” vergehen, dieses tiefste, übermächtigste Gefühl von losbrechender Energie nie wieder loslassen.
Ich frage mich immer wieder, wie so etwas möglich ist. Immerhin zähle ich inzwischen 42 Lenze. Und es verblüfft mich, dass ich mit Musik noch dermaßen erschüttert werden kann. Es ist faszinierend und … unglaublich schön. Augenblicke, die ich dankbar festhalte, deren Gefühle ich in mir aufsauge. Die ich um nichts auf der Welt missen möchte.
Nach Let it Rise komme ich etwas zur Ruhe. Beim Track “Polarstern”, den Christopher an Board des gleichnamigen Forschungsschiffes komponiert hat, beschleicht mich gleich am Anfang das Gefühl, dass ich den Titel kenne. Schlagt mich, aber mich erinnert der Beginn von Polarstern ein wenig an White Eagle von Tangerine Dream. Ein Titel, den ich lange, lange nicht gehört habe, welchen ich aber ebenfalls liebe. Ich muss ihn unbedingt wieder hören. (hier u.a. bei Youtube)
Viele weitere interessante Stimmen begleiten mich auf weiteren atemlosen Reise während der Christopher immer wieder beweist, dass er klanglich viel neues zu bieten hat. Es wird nie langweilig auf Atemlos. Zu den weiteren Künstlern gehören u.a. Kate Havnevik, Anna Maria Mühe, Jaki Liebezeit und Odette Di Maio. Ich gebe zu, dass ich beim ersten Durchhören meine Probleme mit Lenka und Henree hatte. Doch diese legten sich schon beim zweiten Hören.
Lediglich Opium mit Jaki Liebezeit stellt mich vor bisher unüberwindbare Hürden. Ich finde einfach keinen Zugang zu diesem Stück, so dass es für mich einem kleinen Break im Genuß gleichkommt. Opium ist der eingangs erwähnte Schwachpunkt des Albums. Bei aller Experimentierfreude von Christopher, erschüttert mich Opium mit einer Vorahnung Jarre’scher Abgründe elektronischer Kakaphonien, welcher er mit zunehmener künstlerischer Betätigung hinzulegen pflegte. (die Rede ist von Jean Michel Jarre, den ich früher abgöttisch liebte, dessen musikalische Wanderung dann aber immer mehr ohne mich weiterging.). Opium verwirrt mich bis ungefähr 3’40, aber dann wirds wieder Klasse.
Atemlos endet mit “Always You” und “Reprise” so grandios wie es begonnen hat. Und ist der letzte Ton verklungen so hinterläßt “Atemlos” einen verzauberten Zuhörer, der erst ein Weilchen braucht, um in das Leben wieder zurückzufinden. Wobei er nicht genau weiß, ob er das überhaupt möchte. Es ist einfach zu schön, in Schillers Musik “zu baden” ….
Fazit: Atemlos von Schiller ist ein Album von epischen Ausmaßen. Musikalisch, stimmungstechnisch dermaßen dicht und abwechslungsreich, emotional an meinen Grundfesten rührend und Kraft spendend, dass es seinem Namen alle Ehre macht: es macht atemlos. Ich kann Christopher von Deylen zu Atemlos nur gratulieren und aus tiefstem Herzen danken für dieses Album. Ich verneige mich.
Die Limited Edition (so wie auf dem Bild) ist bereits weg. Die 2500 Exemplare waren weg wie warme Semmeln. Nr. 1 und Nr. 2500 werden zugunsten von „Ein Herz für Kinder“ versteigert.
[UPDATE 12.10.10] Schiller – Lichtblick ist vorbestellbar.
Alben von Schiller downloaden:
Weitere Rezensionen von mir zu Schilleralben:
Schiller - Weltreise |
Schiller - Leben |
Schiller - Tag und Nacht |
Schiller - Atemlos |
Schiller - Sonne |
Mein lieber Jörg, kannst mir mal erzählen , was ein so begabter Schreiberling wie du im Support verloren hat? Wo bleibt dein erster Roman? Oder? Gibt es den schon? Ich will Ihn lesen! Wort für Wort… Und als erste! ( natürlich nach deiner frisortechnisch hochbegabten Angetrauen ;-) )
Worte, die ich kenne, aber nie nutze….. Bei dir so selbstveraendlich wie zaehneputzen.
Liebe und tief beeindruckte Gruesse
Birte
Liebe Birte,
zunächst einmal vielen Dank für dein überwältigendes Lob. Ich fühle mich geehrt.
Einen Roman sowie andere schriftliche Publikationen auf totem Holz existieren von meiner Seite nicht. Und sobald wird sich daran auch nichts ändern, denn was sich hier auf themenmix.de und meinen anderen Seiten so leicht liest und (interessanterweise) zu beeindrucken weiß, ist das Produkt spontaner Schreibanfälle. Leider kommen diese Kreativitätsausbrüche viel zu selten, als dass ich mehrere zusammenhängende Seiten am Stück produzieren könnte, die dann in ihrer Gesamtheit ein Buch ausmachen würden. Doch schmeichelt es meiner Wortspielerseele, wenn ich jetzt zum 5. oder 6. mal auf ein Buch angesprochen werde, welches zu schreiben mir ans Herz gelegt wird. Also bleibe ich vorerst bei meinen Ursprüngen und fabriziere hin und wieder kleine potentielle Lichtblicke. Es würde mich freuen, dich wieder beeindrucken zu können. Bis dahin … Liebe Grüße vom Bodensee.