Seit ich letztes Jahr die Firma gewechselt habe suchte ich nach neuen Zielmarken für meine sommerlichen Radeskapaden. Ich gehöre zu den (gar nicht so seltenen) Irren, die morgens und abends zwischen Ravensburg und Friedrichshafen mit dem Rad pendeln. Ich mach das ja schon ein paar Jahre, wie du in meiner Freddy-Rubrik nachlesen kannst. Mit dem Firmenwechsel erhöhte sich mein Streckenpensum an Kilometern erheblich. Pro Strecke kam ich auf 27-28km. Das ist heftig, aber machbar. Ich suchte nach einem erstrebenwerten Ziel und fand heraus, dass eine Fahrt unter 60min schon eine happige Herausforderung sein würde.
Dann zog die Firma um und mein Radweg reduzierte sich wieder ein wenig. Pro Tour laufen jetzt so 23 – 24km auf. Zurück zu auch! Das erforderte natürlich eine sofortige Neujustierung der angestrebten Saisonbestmarke. Schon wenige Tage später kristallisierte sich heraus, dass 50min so etwas wie eine Schallmauer sein würden. Folglich erkor ich die 50min-Marke zum Saisonziel und erzählten jedem davon, der es wissen wollte oder nicht. Das war mir egal. Wenn ich nur weit genug mit dem Wert um mich werfen würde, könnte ich nicht mehr zurück. Sagte ich mir. Und so setzte ich mich immer wieder unter Druck, ja nicht das Saisonziel aus den Augen zu verlieren.
Ich trainierte täglich … wenn das Wetter mitspielte. Ich unternahm hin und wieder erste Anläufe, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Ich scheiterte jedes Mal grandios. Lag ich bis Friedrichshafen Stadtrand einige Male aussichtsreich im Rennen, gestaltete sich mein selbstauferlegtes Einzelzeitfahren durch die Häfler Innenstadt stets als Zeitfresser und Schnittdrücker. Immerhin fand ich heraus, dass wenn ich meinetwegen bis Friedrichshafen Flughafen noch leidlichen Rückenwind hatte (was sehr, sehr selten vorkommt), der Wind in Friedrichshafen grundsätzlich drehte und sich mir brüllend entgegen warf. Es ist irrwitzig. Das passiert immer! Sogar wenn kein Wind ist, ist spätestens ab Friedrichshafen Wind. Von vorn! Ein Naturgesetz? Maybe.
Egal. Heute standen die Zeichen auf Rückenwind der höchst erfreulichen Kategorie. Munter aufbrausender Wind und vor allem: von hinten! Ich fuhr also abends nach Arbeitsschluss schon mit dem Ziel los, das gesteckte Saisonziel von unter 50min zu knacken. Heute wollte ich es wissen. Und so peitschte ich Freddy durch die Wildnis, trat und trat und ignorierte die Schweißtropfen, die fortwährend zu Boden sausten. (Mein ganz spezieller Beitrag zur Bewässerung des Bodenseehinterlandes!) Die nervigen, kraftraubenden (kurzen) Anstiege wurden auch heute wieder ihrer Rolle gerecht und forderten meinen Ehrgeiz heraus. Japsend und keuchend überwand ich die natürlichen Barrieren, um mich nur kurz darauf bereits wieder um Geschwindkeit zu bemühen.
Ich hatte in den letzten Wochen erkannt, dass ich mindestens einen 29er Schnitt bis vor die Haustür brauchen werde. Ich musste also bis Friedrichshafen zusehen, den Schnitt so hoch wie möglich zu halten, weil ich ja durch Friedrichshafen durch eh wieder massig Zeit einbüßen würde. Das genügte als Ansporn …
Und so schoß ich durch Natur und Siedlungen hindurch, rang jede Erhebung nieder, schmiegte mich in den Wind, schnitt die Kurven. Auf diese Art und Weise gelang es mir, am Ortseingang Friedrichsafen mit einem Schnitt von 30,65km/h anzukommen. Geile Sache. Gleichzeitig bemerkte ich etwas absolut erstaunliches. Etwas war passiert, was mir schon Ewigkeiten nicht mehr passiert ist: ich hatte zwar die Stöpsel der Kopfhörer meines MP3-Players in den Ohren arretiert, jedoch vergessen den MP3-Player auch einzuschalten! Ich war ohne Musik mit Hochgeschwindkeit bis FN geradelt! Und ich hatte es nicht mal bemerkt. Ein starkes Zeichen außergewöhnlicher Konzentration! Oder auch von Vergesslichkeit. Ich kann das in meinem Alter nicht mehr ausschließen.
Jedenfalls hoffte ich natürlich, dieses Mal sauber durch Friedrichshafen durch zu kommen. Und siehe da – es klappte ganz manierlich. In Richtung Fischbach dann hatte ich sogar zwei Weggefährten, die sich zunächst wie schwungvoll radelnde Freizeitbiker benahmen, dann aber – nachdem ich sie überholt hatte – plötzlich einen Zahn zulegten und dann an mir vorbeischossen wie ein Porsche an einem Trabant. Oder ein Augenblick. Ich fühlte mich persönlich angegriffen und nahm die Verfolgung auf. Wir donnerten zu dritt wie die Idioten den Radweg entlang … bis sich unsere Wege trennten. Das war dann knapp 2km vor meinem Ziel. In Gedanken schüttelte ich den beiden dankbar die Pranken (oder streichelte die Speichen?), denn sie hatten mich ein schwieriges Stück einfach so “mitgezogen”.
Der Rest war eine Triumph-Fahrt. Ich stellte den Fahrradcomputer auf die Fahrtzeit ein und genoß es, die letzten paar hundert Meter mit knapp über 30 Sachen durch unsere Siedlung zu sausen, um dann bei stolzen 48:39min Freddy gegen unser Trampolin sinken zu lassen. Er hatte tapfer mitgekämpft. Obwohl er ab Kilometer 18 ungefähr verwundet zu sein schien. Das äußerte sich im zittrigen Flattern des vorderen Spritzschutzes. Ich redete die letzten Kilometer immer wieder beruhigend auf Freddy ein. Ich spornte ihn an. Ich beschwor alle guten Geister, welche eine sich lösende Schraube bremsen konnten. Und es klappte. Ich glaube es fehlte nur noch eine Nichtigstel Umdrehung, und der Spritzschutz wäre davon geflogen. In die Speichen geraten. Mir gegen die Schienenbeine geschlagen. Oder er hätte sonst welche fiesen und gefährlichen Dinge tun können. Ich wollte nur nicht anhalten, um die Schraube einfach nur kurz anzuziehen. Nicht bei dem Rennen! Nicht bei der Chance, die sich mir heute bot! Pah … ich forderte bedingungslosen Glauben an die Haltbarkeit mechanischer Verbindungen und wurde belohnt. Freddy hat grandios durchgehalten!
Tja … und damit ist das Saisonziel 2014 schon erreicht. Wir schreiben den 23. Juli 2014 und die Daten der heutigen Abend-Tour-de-Bodensee sind:
- 24,04km
- 29,75 km/h Schnitt
- 48:39min Fahrtzeit
Was ich voll lsutig fand ist, dass Runtastic – eine App, welche via GPS ebenfalls die gefahrenen Kilometer, nebst Geschwindkeit und Zeit aufzeichnete, genau bei 50:00 stehen geblieben ist. Ein absolut glatter Wert für ein nahezu perfektes Einzelzeitfahren. Woher der Unterschied zum Fahrradcomputer kommt?
Naja … Runtastic zählt die Zeit einfach weiter, wenn du bspw. an einer Ampelkreuzung anhalten musst. Der Radcomputer bekommt bei Stillstand keine Impulse mehr und hält in seiner Zählung inne. Der Radcomputer zeigt mir also letztlich die reine Fahrzeit an; während Runtastic die gesamte Zeit ausspuckt, die ich von Punkt A zu Punkt B gebraucht habe. Natürlich gebe ich jederzeit dem Radcomputer Recht und schmunzle abfällig bei den Runtastic-Werten. Runtastik hat nur einen entscheidenden Vorteil gegenüber meinem Radcomputer: es kann die Werte der Tour gleich nach Twitter und Facebook schießen und mich als Angeber hinstellen. *lol*
Und nun?
Welches Ziel soll ich jetzt angehen? Vorschläge bitte in den Kommentaren hinterlassen. Danke! (Ende: 0:50)
Update: Sodele .. und nun … *wedel* *wedel* … erst mal Fenster aufmachen und den ganzen Selbstweihrauch verscheuchen … husch husch … raus damit … Meine Güte, habe ich wieder auf den Putz gehauen … orrrr … aber geschrieben ist geschrieben …. Ach ich lasse das jetzt so …. off.
Respekt, da geht was. Btw, die kannst Runtastic auch so einstellen, dass es die Zeit stoppt, wenn du dich nicht bewegst.
Ganz schön flott :-)